Den großen Softwares hat das letzte Stündlein geschlagen, so Lubomír Veselý für IT Systems

EDI
7.12.2021

Seit kurzem ist Lubomír Veselý unser neuer Generaldirektor. Zu diesem Anlass wurde er in der Redaktion des Magazins IT Systems befragt. Welche Ziele hat er sich als neuer CEO gesetzt? Und warum hat es gerade jetzt einen Wechsel in der Geschäftsleitung gegeben?

Herr Direktor, zunächst einmal möchte ich Ihnen zu Ihrem neuen Posten gratulieren. Zugleich drängt sich mir aber die Frage auf, was hinter dem Wechsel in der Geschäftsleitung von GRiT steckt? Ging es um einen Generationenwechsel oder war dies die Folge tiefgreifender Änderungen in der Organisationsstruktur?

Die Entscheidung fiel nicht von einem Tag auf den anderen, sondern ist die Folge größerer Veränderungen, die vor zwei Jahren angefangen haben. In den letzten Jahren war ich Teil der Geschäftsleitung und hatte Einfluss auf das Management und die Ausrichtung. Mit meiner Ernennung zum CEO hat unser Unternehmen einen weiteren wichtigen Schritt getätigt. Man ist von einer Eigentümerstruktur auf eine Managerstruktur umgestiegen. Die Firmengründer und Eigentümer sitzen von nun an in einem externen Vorstand, wo sie sich mit Strategien und Investitionsvorhaben des Unternehmens beschäftigen werden, aber nicht mehr ins Tagesgeschäft eingreifen werden.

Ihr Unternehmen hieß jedoch früher anders und hat vor nicht allzu langer Zeit ein gründliches Rebranding durchgezogen. Was hat Sie damals zu diesem radikalen Wandel bewogen? Wollten Sie Aufmerksamkeit auf sich ziehen oder spiegelt dies größere Änderungen in der Unternehmensausrichtung wider?

Beide genannten Gründe haben dabei eine Rolle gespielt. Unser Unternehmen ist seit 1992 auf dem Markt und der Firmenname "CCV Informační systémy" war die Abkürzung für "Centre of Computer Vision". Wir sprechen hier von einer Zeit, in der Computer für viele Firmen eine Offenbarung waren, von einer Prozessdigitalisierung ganz zu schweigen. Die ursprüngliche Vision des Unternehmens war es, dass Computer im wahrsten Sinne des Wortes Gegenstände bzw. Dokumente erkennen sollten. Es hat sich aber gezeigt, dass die Unternehmen zu der Zeit noch gar nicht dafür bereit waren. Der ganze Gedanke war zu visionär, sodass man letzten Endes zu den Bereichen Entwicklung und Verkauf von ERP übergegangen ist. Heute haben wir diese Vision zum Teil wieder aufgegriffen. Im Rahmen unserer Dienstleistung iNVOiCE FLOW etwa "sieht" das System bereits – es liest Daten aus, setzt sie zu strukturieren Formen zusammen.

Was das alte Logo angeht: Das hat uns lange Jahre gute Dienste geleistet – aber Hand aufs Herz, wenn man in der heutigen Zeit einen Blick darauf geworfen hat, hatte man nicht den Eindruck, dass man es mit einem modernen IT-Unternehmen zu tun hat. (So mancher der heutigen Kollegen hat nicht bei uns angefangen, bloß weil ihm unser Logo veraltet vorkam :)). Also ja, wir wollten auf jeden Fall modern, frisch wirken, eben wie ein IT-Unternehmen des 21. Jahrhunderts. Und Reaktionen von Kunden oder Kollegen zeigen, dass der Wandel ein voller Erfolg war.

Neben dem Imagewandel haben wir auch in die Struktur des Unternehmens und ihrer Position auf dem Markt eingegriffen. In erster Linie haben wir den Verkauf von Systemen Dritter eingestellt und uns auf die Entwicklung eigener Cloud-Dienste fokussiert, die wir heute mehr als 2500 Kunden anbieten. Außerdem haben wir früher in mehr oder weniger getrennten Abteilungen gearbeitet, heute sind die Mitarbeiter durch die ganze Unternehmensstruktur hindurch miteinander vernetzt und es sind mehrere neue Positionen entstanden, deren Aufgabe es ist, diese Produktsymbiose aufrechtzuerhalten und weiter auszubauen.

Ich denke, dass GRiT den meisten unserer Leser mittlerweile bekannt ist, ich möchte Sie aber dennoch bitten, uns das Unternehmen kurz vorzustellen, womit Sie sich beschäftigen, welche Leistungen und Produkte Sie anbieten ... Uns interessiert auch, welche Ihre häufigsten Kunden sind?

GRiT feiert nächstes Jahr 30-jähriges Jubiläum. Unser Fokus liegt auf der Digitalisierung und Automatisierung von Dokumenten-, Waren- und Geldflüssen in der Lieferkette. Wir sind Unternehmen bei der Steuerung von Lagerprozessen, dem Auslesen von Daten aus Dokumenten, mit der Kürzung der Fälligkeit von Rechnungen sowie mit dem elektronischen Datenaustausch (EDI) behilflich. Wir befreien Unternehmen von Routinearbeiten und machen den Weg frei zu Wachstum mit einer höheren Produktivität. Zu unseren Kunden gehören beispielsweise ALZA, MALL, Rohlík, Datart, Pilsner Urquell u. v. m. Nicht zu vergessen all die kleineren Kunden, deren Effektivität wir steigern.

Moment mal, EDI ist doch eine Technologie, die es schon seit etlichen Jahren gibt. Hat EDI den Unternehmen überhaupt noch etwas zu bieten? Macht es überhaupt Sinn, sich damit zu auseinanderzusetzen?

Auf jeden Fall! Ich sage immer, dass noch niemand etwas Besseres erfunden hat. Wir sprechen von Blockchain, über Datenaustausch via API, aber das endet stets nur in einer Form einer Teillösung, die meist keiner versteht. Wir geben offen zu, dass EDI keine neue Technologie ist, aber aus meiner Sicht ist sie immer noch am effektivsten. Und vor allem lässt sich auch an ältere Technologien auf moderne Weise herangehen. Einige vertikale Märkte wie etwa der Onlinehandel sind im Hinblick auf die Verwendung von EDI bereits gesättigt. Doch auch hier wird nur ein bestimmtes Set von EDI-Nachrichten genutzt, mit denen sich diese Branche begnügt. Und unsere Arbeit ist es nun, mit diesen Kunden über eine weitere Steigerung der Prozesseffektivität und einem größeren Umfang bestimmter Nachrichten für den Austausch zwischen Lieferant und Abnehmer zu sprechen. Darüber unterhalten wir uns derzeit u. a. mit den genannten Unternehmen Rohlík, Alza, MALL.

Soviel ich weiß, sind Sie nicht von außen in die Geschäftsleitung von GRiT gelangt, sondern haben im Unternehmen sozusagen von der Pike auf gelernt. Welchen Weg sind Sie seit Ihren Anfängen bis an die Unternehmensspitze gegangen? Auf welcher Position haben Sie Ihrer Meinung nach die meisten Erfahrungen gesammelt, die Ihnen jetzt als Generaldirektor zugutekommen?

Bei GRiT habe ich 2013 als Key Account Manager angefangen und schon 2 Jahre später habe ich mich zum Sales Director hochgearbeitet. Die Anfänge waren nicht gerade rosig, ich habe nach sechs Jahren den Job gewechselt und es war mein erster Ausflug in die IT-Welt. Ich weiß noch bis heute, wie an meinem ersten Arbeitstag ein Kollege ins Büro gestürmt kam, mir etwas im typischen IT-Jargon zurief und ich nur Bahnhof verstand. :)

Der tägliche Kundenkontakt hat mir auf alle Fälle nicht nur sehr dabei geholfen, sich im Bereich IT zurechtzufinden, sondern vor allem einen Blick für Dinge zu bekommen, die man verbessern könnte. Mein Eindruck war, dass das Unternehmen sich Chancen entgehen lässt, wenn es all seine Tools extra verkauft, und so habe ich beschlossen, dass wir uns für die Vernetzung von GRiT-Systemen einsetzen werden. Mein Gedanke dahinter war: Obwohl jedes GRiT-Tool für sich nützlich ist, sind sie erst gemeinsam stark.

2019 bin ich in die Geschäftsleitung aufgestiegen, habe aber trotzdem immer noch Kundenbesuche gemacht, um nicht den Kontakt zum Markt zu verlieren. Bei manchen kleineren Kunden bin ich sogar inkognito aufgetreten. Wenn potenzielle Kunden wüssten, dass der CSO bei ihnen im Meetingraum sitzt, würden sie vielleicht nur mit mir sprechen wollen. Ich wollte aber, dass die Verhandlungen von den Kaufleuten geführt werden, nicht von mir.  

Welche Aufgaben und Ziele haben Sie für die nächste Zeit geplant, sagen wir für nächstes Jahr? Was sehen Sie als größte Herausforderung?

Meine wichtigste Aufgabe ist es, die angelaufenen Veränderungen im Unternehmen, die mit dem Rebranding vom Firmennamen "CCV Informační systémy" zu "GRiT" angefangen haben, zu Ende zu führen. Sprich, GRiT zu einem kundenorientierten Unternehmen zu machen und eigene Cloud-Tools zur Automatisierung der Lieferkette zu entwickeln.

Wo sehen Sie den größten Raum für ein weiteres Wachstum von GRiT? Ist eine Expansion auf Märkte im Ausland geplant?

In erster Linie wollen wir weiterhin Aufklärungsarbeit auf dem Markt betreiben. Es gibt immer noch etliche Routinearbeiten, die in Firmen gemacht werden. Und sie können sich überhaupt nicht vorstellen, dass diese Arbeiten einfacher oder automatisch erledigt werden könnten.  

Intern sprechen wir gerade z. B. über das Konzept eines virtuellen CFO für kleine Unternehmen. Ich hoffe, dass wird schon bald das Gesamtkonzept vorstellen können, das diesen kleinen Unternehmen Funktionalitäten bieten könnte, die vorher nur den Big Playern zur Verfügung standen.

Was die Auslandsmärkte anbelangt: Diese bieten sich natürlich an. Aber hier gehen wir opportunistisch vor – wir gehen mit unseren Bestandskunden dorthin, etwa mit Rohlík nach Österreich, Ungarn und Deutschland. Auch Staaten in Süd- oder Osteuropa sind schon im Gespräch. Insgesamt strecken wir unsere Fühler in Europa aus – Russland, Amerika oder Asien haben wir bisher nicht im Blick.

Heutzutage ist viel die Rede davon, wie die Coronamaßnahmen und die damit zusammenhängenden Änderungen auf dem Markt viele Unternehmen dazu gebracht haben, schneller auf eine Automatisierung und Digitalisierung umzusteigen. Wie sehen Sie diese rasante Entwicklung? Hat Corona im positiven Sinne wirklich die Rolle des Katalysators für Veränderungen gespielt?

Wir haben in der Tat ein stark gestiegenes Interesse an unseren Dienstleistungen verzeichnet – in manchen Monaten sogar um mehr als 100 %. Ich freue mich, wenn sich bei Kunden später gezeigt hat, dass die Entscheidung zu digitalisieren, richtig war. Unser Kunde Morosystems z. B. meinte, dass er sich nicht vorstellen könne, den Lockdown ohne automatische Bearbeitung von Rechnungen zu stemmen, wenn er die Rechnungen auf herkömmliche Weise bearbeiten müsste.

Auf der anderen Seite muss gesagt werden, dass die weltweite Pandemie bei vielen Unternehmern Ängste geschürt hat. Seither wird bei Investitionen Zurückhaltung geübt, sodass einige Projekte vorübergehend auf Eis liegen und abgewartet wird, wie sich die Situation weiterentwickelt.

Neben der Pandemie möchte ich an dieser Stelle auch gerne das Personalproblem ansprechen. Das spielt bei der Digitalisierung ebenfalls eine große Rolle. Der Mangel an Mitarbeitern ist einer der bedeutenden Katalysatoren der Digitalisierung, wenn Unternehmen – überspitzt ausgedrückt – gezwungen sind, einige Prozesse zu digitalisieren.

Ich habe noch eine konkrete Frage zur Cloud. Wird die momentane Situation das Verhältnis tschechischer Unternehmer zur Nutzung von Clouds Ihrer Meinung nach verändern?

Auf jeden Fall, das sieht man zum Beispiel bei unseren Kunden. Noch vor ein paar Jahren gehörte die Angst vor einem Datenverlust noch zu den Top 3 Hürden, weswegen Kunden die Cloud ablehnten. Heute steht sie ganz unten in der Liste. Die meisten Kunden sehen hier überhaupt keinen Grund zur Sorge und vertrauen der Cloud. Sie wissen, dass die Sicherheit, insbesondere bei Servern von Giganten wie etwa Microsoft oder Amazon, um ein Vielfaches höher ist, als sie es sich in ihrem eigenen Unternehmen leisten könnten.

Außerdem gibt es im B2B schon länger den Trend, SaaS Tools zu nutzen, das reicht in die Zeit vor der Pandemie zurück. Ich denke, dass den großen monolithischen Systemen, die proprietär für das eigene Unternehmen entwickelt werden, längst das letzte Stündlein geschlagen hat.

Im Onlinehandel sind in letzter Zeit zahlreiche Onlineshops entstanden. Die meisten Start-ups greifen bei der der Auswahl ihrer Softwareausstattung nach SaaS Leistungen. Durch die günstigen Preise sinkt die finanzielle Belastung beim Unternehmensstart und die Firma hat so die Möglichkeit, zu einem relativ geringen Preis die Lebensfähigkeit ihrer Unternehmenstätigkeit zu testen.

Haben Sie in letzter Zeit ein interessantes Projekt zum Abschluss gebracht, das als Inspiration und Beispiel für eine positive Einstellung zu Innovationen dienen könnte?

Zurzeit schließen wir mehrere interne Projekte ab, die mir wirklich Freude bereiten. Zum einen sind das größere Projekte mit Rohlik, Niceboy oder auch Pilulka, die unsere Partnerschaft festigen und uns in unseren Gedankengängen und Visionen bestärken. Und darüber hinaus sind das Projekte für unsere kleineren Kunden, denen wir zu einem effektiveren Wachstum verhelfen.

Wenn ich eines der Projekte heraustippen sollte, dann wäre das auf alle Fälle Rohlík, das hier bereits mehrmals erwähnt wurde. Mir gefällt, wie verantwortungsbewusst das Unternehmen Rohlík an das Thema Digitalisierung und Automatisierung in seiner Branche herangeht. Das macht es für uns zu einem offenen Partner, mit dem die Zusammenarbeit Spaß macht. Ich finde, dass der Mut, den Rohlík im Bereich Automatisierung und Digitalisierung an den Tag legt, sich in der Wachstumsgeschwindigkeit und dem Erfolg auf dem Markt widerspiegelt. Dass Rohlík das erste tschechische Unicorn ist, versteht sich nicht von selbst. Da steckt viel Arbeit dahinter und wir freuen uns, dass wir daran teilhaben dürfen.

Und wie hat die Coronapandemie Ihr eigenes Unternehmen beeinflusst? Hat sie bei Ihnen dazu geführt, mehr zu digitalisieren und dazu, eventuell einige Abläufe zu verändern?

Natürlich. Wir haben mehrmals komplett im Homeoffice gearbeitet. Das heißt auch wir waren gezwungen, Videokonferenz-Tools wie Teams, Zoom, Miro, Notion usw. in die tägliche Zusammenarbeit einzubinden. Und ich bin froh, dass sich gezeigt hat, dass wir als IT-Unternehmen wirklich in der Lage sind, auch vom Homeoffice aus unsere Arbeit im selben Tempo zu verrichten. Bis heute haben wir eine eher lockere Einstellung zum Homeoffice bewahrt. Wenn jemand vom Firmenbüro aus arbeitet, ist uns das lieber, aber bei Interesse kommen wir beinahe in 100 % der Fälle der Bitte unserer Mitarbeitern nach Homeoffice entgegen.

Natürlich haben wir aber wie alle im Kontakt mit dem Kunden Einbußen erlitten. Online-Meetings sind ok, aber man kann dabei keine solche Beziehung aufbauen wie bei einem Mittagessen oder einem guten Tropfen.

Und ich möchte noch betonen, dass diese Zeit ungeheuer schwierig für Neueinsteiger war. Das gesteigerte Interesse an unseren Dienstleistungen in der Coronazeit war natürlich mit einer größeren Anwerbung neuer Kollegen verbunden. Und für die war es natürlich schwerer, sich von zu Hause aus ins Team zu integrieren. Ich bin jedoch davon überzeugt, dass es uns gelungen ist und dass die neuen Mitglieder bereits voll in die Arbeit adaptiert sind.

Für mich persönlich ist eine neue Disziplin dazugekommen: Fernbewerbungsgespräche. Das ist schwerer, als es auf den ersten Blick scheint, und ich ziehe meinen Hut vor den Kollegen aus der Abteilung HR.

Man hört von allen Seiten, dass Leute im IT-Bereich Mangelware sind. Wie schaffen Sie es, genügend Fachkräfte zu finden und zu halten?

Um positiv zu beginnen, muss ich sagen, dass wir momentan keine Fluktuationsprobleme haben und dass es uns gelingt, Mitarbeiter langfristig zu halten. Bei der Anwerbung neuer Kollegen bekommen wir nichtsdestoweniger den allgemeinen Fachkräftemangel zu spüren, der auf dem Markt herrscht. Wir lernen gerne neue Kollegen mit weniger Erfahrungen an, aber wir können nicht aus jemandem, der noch nie im Leben vor einem Computer gesessen ist und nicht einmal die Grundbegriffe kennt, einen Programmierer machen. Auch das sind leider Erfahrungen, die man beim Recruiting macht. Derzeit haben wir mehrere offene Stellen – vom kaufmännischen Mitarbeiter bis zum Entwickler. Alle offenen Stellen sind auf unserer Webseite ausgeschrieben und wir freuen uns über neue Bewerber.

Das Interview ist im Magazin IT Systems 11/2021 erschienen. Zur gesamten Ausgabe gelangen Sie über diesen Link.

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